Im Kern
geht es bei diesem Regress darum, dass pflegebedürftige Personen (und
allenfalls deren Angehörige) nach ihren Möglichkeiten der öffentlichen Hand
jenen Aufwand zu ersetzen haben, der ihr durch die Pflege verursacht wird.
Ob die
Abschaffung wünschenswert ist oder nicht, und welche Finanzierungsalternativen
eher zu befürworten oder eher abzulehnen sind, das wäre gerade aus ideologisch
linker Sicht differenziert zu beurteilen und soll nicht Gegenstand dieses Blogeintrags
sein.
Nur eines
steht fest – und zwar objektiv und somit unabhängig von weltanschaulichen Positionen: Der Pflegeregress war sicher keine "versteckte Erbschaftssteuer". Gerade diese unsinnige
Behauptung war aber in den letzten Wochen seit der Abschaffung mehrfach zu
hören. In Erinnerung ist sie mir beispielsweise von einem Politiker der Grünen
(ich glaube, es war der Nationalratsabgeordnete Albert Steinhauser);
gleichfalls behauptet hat es laut Parlamentskorrespondenz ein Bundesratsabgeordneter
der SPÖ, Reinhard Todt:
"Das Gesetz sei
ein Meilenstein, begrüßte der Wiener Bundesrat Reinhard Todt namens der SPÖ die
Abschaffung des Pflegeregresses. Der bestehende Eigenregress komme einer
100%igen Erbschaftssteuer gleich und sei eine große Belastung für Betroffene
und Familien."
Vermutlich wird man bei näherer Recherche auf weitere
einschlägige Wortmeldungen stoßen. Soweit sie von Politiker/innen kommen, ist
das auch nicht weiter von Belang.
Bedenklich ist jedoch, dass der Unsinn auch von den Medien
in die Welt gesetzt wird. So schreibt Dr. Martina Salomon in einem Leitartikel
im Kurier vom 21. Juli 2017 allen Ernstes Folgendes:
"Der Regress in der jetzigen Form war eine
ungerechte Erbschaftssteuer bis zu 100 Prozent – für jene, die das Pech
pflegebedürftiger Eltern hatten, die ihren Besitz nicht rechtzeitig an die
Nachkommen verschenkt haben."
Das ist selbstverständlich falsch. Wer sich (etwa durch eine
Einrichtung der öffentlichen Hand) pflegen lassen muss, nimmt eine Leistung
(konkret: eine Dienstleistung) in Anspruch, die Kosten verursacht. Sich die
Kosten von dieser Person, also vom
Pflegebedürftigen (bzw. in bestimmten Fällen auch von dessen Angehörigen), zurückzuholen – das
war das Wesen des Pflege-Regresses.
Die Situation ist insofern nicht anders gelagert, als wenn
wohlhabende Personen bzw. Familien sich eine private Pflege organisieren. Auch
diese ist selbstverständlich nicht gratis, ja wohl sogar kostspieliger als jene
durch die öffentliche Hand. Niemand würde auf die Idee kommen, hier von einer "ungerechten Erbschaftssteuer"
zu sprechen. Und wenn die Eltern dank ihrer guten Verfassung keine Pflege
benötigen, sondern ihr Geld für teure Kreuzfahrten verwenden oder im Casino
verspielen, so mag das für die Nachkommen aus materieller Sicht zwar
(ebenfalls) unerfreulich sein; aber es wäre verrückt zu behaupten, der Reiseveranstalter
oder Casinobetreiber würde eine "ungerechte Erbschaftssteuer"
einheben.
Dass es im Fall des Pflege-Regresses die öffentliche Hand
ist, die für eine Leistung "kassiert", ändert nichts am dahinter
stehenden Grundprinzip: Für die Inanspruchnahme einer Leistung, die Kosten verursacht (welche – anders als etwa bei der medizinischen Versorgung – auch nicht durch ein Versicherungsverhältnis gedeckt sind), hat der Leistungsempfänger den Aufwand zu ersetzen. (Und um mehr geht
es ja nicht einmal: Im Unterschied zu den Preisen privater
Dienstleistungserbringer dient der Pflegeregress keiner Gewinnerzielung.)
Politiker/innen reden viel daher, was keine Substanz hat.
Aber von der stellvertretenden Chefredakteurin einer der größten
österreichischen Zeitungen sollte man erwarten können, dass sie zumindest über
ein Mindestmaß an staatsbürgerlichem Wissen verfügt und von diesem Wissen auch
Gebrauch macht, wenn sie ihre Artikel schreibt. Und zu diesem Basiswissen gehört
die Kenntnis, worin das Wesen einer Steuer besteht. Das lässt sich auch
vielerorts nachlesen, etwa auf einer Seite des Bundeskanzleramtes, wo es heißt:
"Steuern stehen keine unmittelbaren Gegenleistungen
gegenüber, sie dienen generell der Finanzierung staatlicher Leistungen."
Wenn ich hingegen pflegebezogene Unterstützung in Anspruch
nehme (bzw. nehmen muss) und den dafür entstandenen Aufwand (im mir zumutbaren
Rahmen) zu ersetzen habe, dann beruht meine Zahlungsverpflichtung eben auf einer
ganz konkreten Leistung, die ich beziehe.
Das kommt auch in den entsprechenden Gesetzen klar zum
Ausdruck. Zwei Beispiele seien genannt:
Im Wiener Sozialhilfegesetz heißt es in § 26 Absatz 1: "Der Empfänger der Hilfe ist zum Ersatz
der für ihn aufgewendeten Kosten verpflichtet, soweit […]".
Oder ähnlich das Steiermärkische Sozialhilfegesetz in § 28: "Zum Ersatz des Aufwandes gegenüber dem
Sozialhilfeträger sind verpflichtet: […]".
Von Steuer kann also keine Rede sein, von
"Erbschaftssteuer" noch weniger, und von "ungerecht" schon
gar nicht. Es sei denn, man ortet die Ungerechtigkeit darin, dass manche
Menschen pflegebedürftig werden, während andere bis zu ihrem Tod rüstig bleiben.
Aber das wäre – je nach persönlicher Überzeugung – dem Schicksal oder dem
lieben Gott vorzuwerfen; sicher nicht dem Staat bzw. den Bundesländern.
Und auch der Umstand, dass manche "ihren Besitz […] rechtzeitig an die Nachkommen verschenkt haben"
und sich dadurch einem allfälligen Pflegeregress entzogen, macht(e) diesen selbstverständlich
nicht ungerecht. (Ungerecht wäre sonst jede Verpflichtung, vor der sich einige
unredlicherweise drücken.) Der Umstand belegt vielmehr, wie dringend notwendig
schon längst die Einführung einer tatsächlichen Erbschafts- und Schenkungssteuer
gewesen wäre (im Übrigen nicht erst ab einem Vermögen von 1 Million Euro,
wie das von der jämmerlichen und heuchlerischen SPÖ jetzt vorgeschlagen wird).