Dienstag, 8. März 2016

Orban, Kurz und Idomeni

Dr. Helmut Brandstätter, der Chefredakteur des "Kurier", schreibt in seinem Leitartikel vom 7. März 2016 (im Internet hier zu lesen), unter Anderem Folgendes:

"Noch nie seit dem 2. Weltkrieg waren Politikerinnen und Politiker in einer derart schwierigen Lage wie die meisten der 28 EU-Regierungschefs. Gut, ein paar Schlaumeier wie der Ungar Orban tun sich leicht: 'Grenzen zu, nächstes Thema!' Wer nach Idomeni an der mazedonischen Grenze blickt, sieht, wie dumm und verantwortungslos diese Sicht ist."

Diese Sicht ist dumm. Brandstätter hat völlig Recht.
Diese Sicht ist verantwortungslos. Damit hat Brandstätter ganz besonders Recht.

Aber der von ihm hergestellte Zusammenhang ist so schief, dass er schon als falsch bezeichnet werden darf: Der ungarische Premierminister Orban hat zwar in der Flüchtlingsfrage wahrlich viel Übles auf dem Kerbholz (und erfreut sich natürlich gerade deshalb bei so manchen Österreicher/innen großer Beliebtheit). Aber mit der Situation in Idomeni hat er nichts zu tun.

Da war der federführende Übeltäter ein Anderer: der österreichische Außenminister Kurz (bei der Umsetzung natürlich in Komplizenschaft mit der gesamten öster­reichi­schen Regierung). Er hat den "Dominoeffekt" am Balkan durch die (De-facto-)Grenzschließung in Österreich nicht nur ausgelöst, sondern ihn ganz bewusst, mit Absicht herbeigeführt!

Das Resultat – derzeit ungefähr 13.000 gestrandete Flüchtlinge im griechisch-mazedonischen Grenzgebiet bei Idomeni – kann man zum Beispiel an den zahlreichen Aufnahmen sehen, die die griechische Fotografin Dimitra Stasinopoulou hier veröffentlicht hat:


Das ist das Werk von Kurz, Mikl-Leitner, Doskozil und Konsorten!

Man hätte nicht schreiben müssen: 

"Gut, ein paar Schlaumeier wie der Ungar Orban tun sich leicht: …" 

Man hätte statt dessen schreiben können (und sollen) [ob mit oder ohne Erwähnung Orbans ist dabei Geschmackssache]: 

"Gut, ein paar Schlaumeier wie [der Ungar Orban oder] der Österreicher Kurz tun sich leicht: …" 

Nur so passen Politikername und tadelnder Hinweis auf Idomeni logisch und inhaltlich zusammen.

Dieser Hinweis ist auch völlig gerechtfertigt und seine Aufnahme in den Leitartikel anzuerkennen. Aber Kritik an einem Außenminister zu üben, der in Österreich aufgrund seiner menschenverachtenden Denkweise, Politik und Diktion gerade zu einem Volkshelden wird – so weit gehen journalisti­sches Engagement und Courage halt doch wieder nicht. Da setzt man dann lieber (nur) einen Namen wie "Orban" ein, mit dem man sich weniger leicht die Finger verbrennt.